DAS LICHT IN DIR
Eine STAR WARS™: Squadrons-Kurzgeschichte von Joanna Berry.
Wenn du da draußen bist, im offenen Weltraum, deinen Sternenjäger konstant unterhalb der Flankiergeschwindigkeit hältst und dich auf tausende schillernder Sterne zubewegst, dann wird deine Welt ... lebendig. Lebendig und einfach.
Die Vibrationen der Triebwerke, die du im ganzen Körper spürst, das edle Bantha-Leder deines Handschuhs, der auf dem Schubhebel ruht ... all das ist für dich wie ein sanfter Geigenton für einen Musiker. Bist du auch nur ein wenig zu schnell oder zu langsam, riskierst du, dass deine Triebwerke ausfallen, was im Kampf für dich und deine Staffel einer Katastrophe gleichkommt. Aber ein A-Flügler ist für solch extreme Situationen genau der richtige Sternenjäger. Mit ihm hast du solche Situationen im Griff. Du weißt das. Mit hundertprozentiger Sicherheit. So wie du weißt, dass dein eigener Name ...
„Hör schon auf, Keo. Mit geschlossenen Augen zu fliegen, beeindruckt heute echt niemanden mehr.“
Keo Venzee öffnete die Augen und schaute verschmitzt grinsend nach rechts, wo jetzt ein Y-Flügler mit grün-blauer Lackierung flog. Sein Rumpf zitterte sichtlich, da der Bomber versuchte, mit dem A-Flügler mitzuhalten.
Im Cockpit des Y-Flüglers saß Keos Staffelkollege Frisk, der mit seiner schuppigen, dreifingerigen Hand zu Keo herüberwinkte. Das Funkgerät meldete sich wieder und Keo hörte erneut seine tiefe Stimme. „Wir wissen alle, dass du das Teil im Schlaf fliegen kannst. Du brauchst also nicht so anzugeben.“
Keo zuckte mit den Achseln. „Na ja, du in deinem Y-Flügler weißt ja, wie es ist, im Flug einzuschlafen ...“
„Ha!“
Die beiden drehten nach Steuerbord. In der Ferne konnte Keo einen schwachen goldenen Schimmer ausmachen – die ersten Anzeichen des Ringali-Nebels, der sich im Bormea-Sektor ausbreitete. Weit hinter den beiden befand sich eine kleine Flotte der Neuen Republik, bestehend aus Korvetten, einer Nebulon-B-Fregatte und einem imposanten MC-75-Sternenkreuzer, der Temperance. Begleitet wurde diese Flotte von ein paar weiteren Sternenjägern: der Vanguard-Staffel. Keos Staffel.
Mit geübter Hand drosselte Keo die Geschwindigkeit des A-Flüglers. Die grün-gelbliche Haut, die alle auf Mirial gemein haben, schimmerte im goldenen Licht des Nebels. Mit gerade mal Mitte zwanzig verfügte Keo schon über jede Menge Erfahrung im Umgang mit Sternenjägern. Viele Rivalen auf den Rennstrecken der Galaxis – und später auch viele imperiale Piloten – hatten diese Expertise unterschätzt ... und den Preis dafür bezahlt. „Es ist schön, endlich mal wieder ein bisschen fliegen zu dürfen. Auch wenn das hier nur ein Patrouillenflug ist.“
Frisk grinste – was bei einem Trandoshaner ein besonderer Anblick ist, an den man sich erst gewöhnen muss. Seine helle Schnauze lugte unter seinem ramponierten Helm hervor und offenbarte jede Menge scharfer Zähne. „Ich sag dir eins: Drei Wochen im Flottenverbund zusammenbleiben? Ohne Action? Das liegt nur an diesem dämlichen Protokoll der Neuen Republik, glaub mir. Als wir noch Rebellen waren, hätte niemand so lange herumgetrödelt wie wir jetzt.“
Keo lehnte sich zurück. „Außer natürlich, es hätte einen guten Grund dafür gegeben.“
„Also, Gerüchte sind ja eigentlich nicht so mein Fall ...“ Keo musste losprusten und hielt mit der Hand den Komlink zu. „... aber gestern beim Sabacc haben sie erzählt, dass das Oberkommando gerade eine neue verdeckte Operation vorbereitet. Was Großes.“
„Ich dachte, du darfst nicht mehr in der Offiziersmesse Sabacc spielen?“
„Ich hab nie was von Offiziersmesse gesagt. Aber im Training muss ich doch trotzdem bleiben.“
„Ah, das erinnert mich an was“, sagte Keo. „Ich habe selbst gewaltigen Trainingsrückstand. Im Flottenverbund kann man ja schließlich keine Manöver wie dieses hier trainieren.“
Du hörst nur noch deine Triebwerke, weißt genau, wie weit du sie hochtouren musst, und dann ...
Der A-Flügler löste sich aus der Formation, drehte nach Backbord ab, machte eine Kehrtwende und flog eine kurze Zeit lang haarscharf über dem Cockpit von Frisks Y-Flügler weiter. Dann beschleunigte Keo so stark, dass die Nase des Y-Flüglers bedenklich anfing zu schwanken.
Keo kicherte und brachte den A-Flügler wieder in Formation. „Das Manöver hat mir den Sieg beim Socorro Sunset Grand Prix eingebracht.“
Frisk schnaubte abschätzig. „Na ja, mit einem A-Flügler kann das ja jeder. Mit einem Bomber ist das schon was anderes.“ Keo hörte das Geräusch von knackenden Knöcheln. „Wenn du wirkliches Talent sehen willst, dann pass mal ...“
„Ardo Barodai an Patrouille.“ Eine schroffe, wenngleich nicht unfreundliche Stimme war in ihren Helmen zu vernehmen. „Wenn ihr zwei fertig seid mit eurem kindischen Wettstreit, kommt zurück zur Temperance. Ich habe einen neuen Auftrag für euch.“
Keo und Frisk sahen sich neugierig an.
„Wenn es der große Häuptling befiehlt ...“, sagte Keo.
Frisk machte ein beleidigtes Gesicht, als sich die beiden wieder auf den Weg zur Flotte machten. „Mann, das wäre ein geiles Manöver geworden.“
„Klar wäre es das.“ Keo warf die Schubdüsen an. „Für einen Y-Flügler.“
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„Das ist ein ganz einfacher Auftrag“, erklärte Ardo den beiden wenig später im Besprechungsraum der Temperance. „Aber ihr zwei seid dabei allein auf euch gestellt. Und ihr müsst diskret vorgehen.“
„Sie kennen mich, Sir“, sagte Frisk voller Stolz. „Die Diskretion in Person. Wenn es hierbei um unsere neue verdeckte Operation geht ... von mir wird niemand auch nur ein Wort hören.“
Keo stieß ihn mit dem Ellenbogen an. „Diskretion in Person, was? Von wegen ...“
Ardo Barodai, der Chef des Geheimdienstes der Vanguard-Staffel, sah die beiden nachdenklich an. Er war ein stark gebauter Mon Calamari, der leicht schielte und eine Uniform voller Falten trug – alles, was Ardo anzog, war in kürzester Zeit zerknittert. Hinter seinem Rücken lachten die Neulinge der Vanguard-Staffel heimlich darüber. Für so alte Hasen wie Frisk und Keo war jedoch ‚Sir‘ die richtige Anrede, denn sie hatten bereits häufig miterlebt, wie dieser freundliche und oftmals abwesend wirkende Mon Cal nur kurz auf einen Gefechtsbildschirm gesehen, ein paar Befehle gegeben und die Formation einer ganzen Imperiumsflotte in Nullkommanichts ausgehebelt hatte.
„Ich weiß ja nicht, was in dieser Flotte schon wieder für komische Gerüchte kursieren“, sagte Ardo, „aber Fakt ist, dass der neue Kommandant der Vanguard-Staffel bald hier eintrifft. Bis dahin muss ich noch tausend Dinge organisieren. Das heißt, ich muss solche Aufgaben an euch delegieren.“
„Warum an uns?“, fragte Keo. „Wir sind weder beim Sonderkommando noch beim Geheimdienst.“
„Weil jemand mit deiner Rennerfahrung und ein ehemaliger ... Na ja, sagen wir einfach, Frisk und du, ihr werdet da gar nicht auffallen.“ Ardo aktivierte den Holotisch und rief eine Sternenkarte auf, auf der er zu drei heruntergekommenen Raumstationen navigierte, die um einen gewaltigen Gasriesen kreisten.
„Das ist die Navlaas-Triade“, erklärte Ardo und hakte seine mit Schwimmhäuten versehenen Daumen in seinen Gürtel ein. „Früher bildeten diese drei Stationen eine einträgliche, automatisierte Produktionskette für Clouzon-Gas. Abbau, Verarbeitung, Raffinerie.“ Ardo zeigte jeweils auf die entsprechende Station. „Zwischen den Stationen fuhren Droiden-Frachtschiffe hin und her, sodass die Produktion Tag und Nacht weiterlaufen konnte. Das war natürlich vor dem Krieg. Die Bergbaugesellschaft blutete wegen der Tributzahlungen an das Imperium irgendwann aus. Jetzt dienen die Stationen als Tankstellen für Schmuggler, illegale Rennsyndikate ... im Prinzip für jeden, der im Inner Rim seinen Geschäften nachgehen und dabei keine Aufmerksamkeit erregen möchte.
„Hey, warum sehen Sie mich denn bei ‚Schmuggler‘ so an?“, protestierte Frisk.
„Weil du nie müde wirst, zu betonen, wie oft du mit den Größen der galaktischen Unterwelt abhängst, Frisk“, sagte Ardo mit einem Lächeln.
„Ja, aber doch nicht mit Schmugglern. Der Verkauf von Sammlerstücken ist ein legitimes Geschäftsmodell.“
„Auf dich ist ein Kopfgeld ausgesetzt“, stellte Keo nüchtern fest.
Frisk kicherte. „Sie zu verkaufen ist durchaus legal. Ist doch nicht meine Schuld, dass der imperiale Gouverneur sie nicht auf ihre Echtheit hin überprüft hat.“
„Ähem.“ Ardo vergrößerte das Hologramm einer der Stationen. „Eine Agentin der neuen Republik sammelte in einem nahe gelegenen System wichtige Informationen, aber das Imperium war ihr auf die Schliche gekommen. In ihrem letzten Bericht erwähnte sie, dass sie die gesammelten Informationen einem meiner Kontakte übergeben wollte. Dieser befindet sich auf der Triaden-Raumstation Daralto, genau hier. Ihr müsst dorthin und die Informationen beschaffen. Und zwar auf diskrete Art und Weise.“
Keo runzelte die Stirn. „Sie sagten da was von wegen Imperium?“
„Unseren Berichten zufolge patrouilliert das Imperium in der Umgebung. Irgendwas geht da vor sich, aber ihr dürft euch da nicht einmischen. Schleicht euch rein, holt die Infos und verschwindet wieder.“
„Je weniger TIEs da draußen rumfliegen, desto besser für uns, Sir“, warf Frisk ein.
Ardo runzelte die Stirn. „Nicht dieses Mal. Wenn das Imperium auch nur Wind davon bekommt, dass die Neue Republik in diesem Gebiet agiert, wird das die gesamte Operation gefährden.“ Ardo schaute die beiden eindringlich an. „Im Ernst. Ihr müsst euch bei diesem Auftrag absolut an die Regeln halten, okay?“
Frisk seufzte. „Wie Sie wünschen, Sir. Nicht wahr, Fliegerass?“
Doch das Fliegerass hatte gar nicht zugehört. Mit starrem Blick und gerunzelter Stirn betrachtete Keo noch immer das dunkelblaue Hologramm.
Manchmal arbeiten Intuition und Erfahrung Hand in Hand, ohne dass man es merkt. Und plötzlich kommen die beiden zu einem Ergebnis, nach dem du zwar nicht gesucht hast, dass du aber unmöglich ignorieren kannst. Und dann weißt du einfach, dass ...
„Was geht dir durch den Kopf, Keo?“, fragte Ardo mit sanfter Stimme.
Keo verdrängte die düsteren Gedanken. „Nichts, Sir, alles gut. Wir packen das schon.“
Manchmal weißt du einfach, dass es Probleme geben wird.
* * *
Navlaas war ein dunkelblauer Gasriese, der von den grünen, von Blitzen durchzogenen Wolken des Clouzon-Gases umgeben war. Seine acht Monde zeigten jede Menge Krater, die von Asteroideneinschlägen stammten.
Und vermutlich nicht nur von Asteroiden. Während sich die beiden Sternenjäger ihrem Ziel näherten, entdeckte Keo ein kleines, silbern funkelndes Wrack, das über einem der Monde vor sich hintrieb. „Das war bestimmt eine Markierungsboje“, vermutete Keo. „Wahrscheinlich ein Überbleibsel aus den Zeiten, als hier noch die Bergbaugesellschaft das Sagen hatte. Witzig. Normalerweise werden diese Teile für die Ewigkeit gebaut ...“
„Warte mal.“ Frisk meldete sich über Funk. „Ich hab da was auf dem Scanner.“
Keo warf einen prüfenden Blick auf das eigene Visier. „Ich sehe sie auch. Alle Lichter aus, los.“
Die beiden kappten ihre Stromzufuhr und ließen ihre Sternenjäger inmitten der Bojenteile dahintreiben. Keo rutschte im Sitz nach unten.
Dunkle Schatten zogen über sie hinweg. Es waren die markante Silhouetten von TIEs, bei denen es allen Pilotinnen und Piloten der Neuen Republik im Abzugfinger kribbelt. Keo zählte vier imperiale TIEs – einen Abfangjäger und drei gewöhnliche Jäger. Sie flogen in einer Rautenformation.
„Sieh dir diese imperialen Schweine an“, flüsterte Frisk über einen sicheren Kanal. „Fliegen hier noch immer rum, als ob Endor nie stattgefunden hätte. Niemand würde die vier ernsthaft verm...“
Grüne Laserprojektile schossen aus den Kanonen des TIE-Abfangjägers. Keos Hände schnellten zum Abzug. „Sie sehen uns!“
„Nee. Sie nutzen das Wrack für Zielübungen. Wir müssen uns einfach nur ganz ruhig verhalten.“ Keo hörte ein Grinsen aus Frisks Stimme heraus. „Denk immer dran: Wenn ein Imperialer auf dich schießt, bist du das einzige Ziel, das die nicht tr...“
Wieder schoss ein grüner Laser vorbei und streifte dabei beinahe Frisks Y-Flügler. Frisk schluckte. „Also, äh, die haben hier wohl ordentlich Zeit zum Üben.“
Nach kurzer Zeit, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte, hörte der Laserbeschuss wieder auf. Die Schatten flogen weiter. Keo überprüfte das Visier und merkte, wie sich die Anspannung im Körper wieder löste. „Okay. Das war’s.“
Die beiden warfen ihre Triebwerke wieder an. „Das Imperium nutzt die Navlaas-Triade anscheinend auch als Tankstelle“, dachte Keo laut nach. „Vielleicht ist das sogar das Ziel dieser geheimen Operation, an der Ardo und der Geheimdienst arbeiten.“
„Ja, vielleicht.“ Frisk schloss zu Keo auf. Sein Y-Flügler hatte genau wie Keos A-Flügler einen neuen Anstrich erhalten, um alle grün-blauen Symbole und Markierungen zu überdecken, die ihren Feinden sonst vielleicht verraten hätten, dass sie auf Seiten der Neuen Republik standen. „Kaum zu glauben, dass er früher mal draufgängerischer war.“
„Ardo?“
„Ja. Vor Endor hätte er niemals zugelassen, dass das Imperium hier so auf dicke Hose machen kann. Damals hätten wir uns die Infos geschnappt und auf dem Rückweg noch ein paar TIEs zerstört, nur um denen eine Lektion zu erteilen.“ Frisk schnaubte verächtlich. „Jetzt winken wir ihnen quasi noch freundlich zu, während sie an uns vorbeifliegen. Oder warten, bis sich die Neue Republik durch all diesen bürokratischen Mist gekämpft hat und uns endlich ein paar Befehle erteilt.“
„Die Zeiten haben sich geändert, Frisk.“ Keo zuckte mit den Achseln. „Wir kämpfen für eine sicherere Galaxis. Und manchmal funktioniert das eben nur auf diese Weise. Auf Mirial gibt es ein Sprichwort: Es ist einfach, dein altes Leben wieder und wieder zu leben, aber das neue Leben, dass du heute beginnst, ist tausendmal besser.“
„Ha.“ Frisk gab ein reumütiges Glucksen von sich. „Das gefällt mir besser als das, was sie auf Trandosha zum Clan-Großmaul zu sagen haben.“
„Das da wäre?“
„Verrate ich dir, wenn du älter bist.“
Sie steuerten ihre Schiffe um den Mond herum – dessen grelle Sandoberfläche Keo mit Wehmut an die kalten Wüsten auf Mirial denken ließ – und näherten sich langsam der Triaden-Raumstation Daralto. Auf jeder der vier Ecken des zentralen Gebäudes saß ein Turm, während sich unterhalb der Raumstation alte und heruntergekommene Droiden-Frachtschiffe langsam von A nach B bewegten, ohne dabei jedoch irgendeinen Zweck zu erfüllen.
„Hat denn keiner herausgefunden, wie die Dinger abzuschalten sind?“, grübelte Keo.
„Vielleicht nutzen sie die aber auch für irgendwelche krummen Dinger“, erwiderte Frisk. „Apropos: Sobald wir da drin sind, solltest du mir lieber das reden überlassen.“
„Ich komm schon klar.“
„In deinem A-Flügler vielleicht. Aber hier sind die Leute vielleicht eher dem großen schuppigen Kerl gegenüber freundlich gesinnt, verstehst du?“
„Mhm. Aber dann sei auch vorsichtig, okay?“, sagte Keo, als sie auf den Hangar zusteuerten. „Wenn das Imperium hier ist, könnte das alles etwas komplizierter werden.“
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„Halt. Eure Papiere.“
Frisk warf Keo einen verstohlenen Blick zu und formte lautlos mit den Lippen das Wort ‚komplizierter‘.
Keo nickte kaum merklich. Die Dockmeisterin war eine muskulöse Chagrianerin, die so aussah, als ob sie zum Frühstück Stahlträger verbog und sie dann zu Mittag verspeiste. Also genau der Schlag von Frau, den man an einer Raumstation wie dieser erwarten konnte. Hinter ihr jedoch stand ein imperialer Offizier, ein Mensch in Keos Alter, der hier so auffiel wie ein bunter Kath-Hund. Er hatte dunkelblondes Haar und trug eine heruntergekommene Uniform.
Keos Blick wanderte zu den Handschuhen des Offiziers. Sie waren nicht wie sonst üblich aus glattem Leder. Zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger waren sie mehrmals ausgebessert worden. Und an den Ärmeln des Offiziers war etwas befestigt, das aussah wie handgenähte Träger, die den Stoff eng an dessen Handgelenke zu drücken schienen. Absolut keine Standardkleidung des Imperiums. Schon eher Kleidung eines ...
„Reicht das hier aus?“ Frisk reichte der Chagrianerin ein Datenpad, auf dem ihre gefälschten Identitäten gespeichert waren – zusammen mit einem ordentlichen Credit-Chip, der, wie Keo feststellte, diskret unter dem Datenpad angebracht worden war.
Die Dockmeisterin nahm das Datenpad entgegen und scrollte durch dessen Inhalt. Die Credits verschwanden wie durch Magie.
„Das sind Sternenjäger der Rebellenallianz“, sagte der imperiale Offizier mit eisiger Stimme und deutete auf ihre frisch lackierten Schiffe. „Ich erkenne nicht standardisierte Triebwerksmodifikationen, wenn ich welche sehe.“
„Das waren sie mal“, erwiderte Frisk munter. „Die Allianz hatte uns als Söldner angeheuert, aber die haben uns nie bezahlt. Da haben wir uns gedacht, dass uns die beiden Schiffe als Bezahlung gerade so genügen würden. Bislang haben sie uns noch nicht geschnappt.“
„Ihr gebt also zu, für die Rebellion zu kämpfen?“
„Wir sind desertiert“, sagte Keo bestimmt. „Wir hatten Besseres zu tun, als uns bei Endor abschießen zu lassen.“
Der Offizier verschränkte seine Arme, sagte aber nichts mehr. Die Dockmeisterin gab Frisk das Datenpad zurück. „Scheint alles in Ordnung zu sein. Ihr könnt in den Hangar und dort auftanken. Und danach haut ihr sofort wieder ab, okay? Relkin hier ...“
„Lieutenant Relkin“, verbesserte sie der imperiale Offizier.
Die Dockmeisterin rollte mit den Augen. „Der Lieutenant hat hier eine Garnison. Alle Schiffe, die hier an- und ablegen, werden überwacht. Also macht keinen Unsinn.“
Überwacht? Keo wurde nervös.
„Geht klar“, sagte Frisk und schob sich an den beiden vorbei.
„Einen Moment noch.“ Lieutenant Relkins behandschuhter Arm schoss hervor und versperrte Frisk den Weg. Missbilligend sah er ihn und Keo an. „Kennen wir uns nicht?“
Frisk lachte nervös. „Ha. Als ob Sie dieses Gesicht vergessen würden, Lieutenant.“
Relkin sah die beiden einen langen Moment misstrauisch an und gab dann mit einem mürrischen Gesichtsausdruck den Weg frei. „Vermutlich nicht. Los, verschwindet.“
Draußen im Zugangskorridor atmete Keo erstmal tief durch. „Das war knapp ...“
„Und ob.“ Frisk strich sich über die Wange, was aufgrund seiner Schuppen ein schabendes Geräusch erzeugte. „Vielleicht hat Relkin damals für diesen imperialen Gouverneur gearbeitet, diesen ... Derantus. Der wäre doch nicht noch immer angefressen wegen dieser ‚Sammlerstücke‘, oder?“
„Frisk ...“
„Ich mein’ ja nur ... Na und? Dann hat sich dieser Derantus eben vor Admiral Thrawn blamiert ...“
„Das ist eine ernste Angelegenheit hier!“, presste Keo zwischen den Zähnen hervor. „Eine ganze imperiale Garnison, die in einem strategisch wichtigen System einfach nur so abhängt? Das hier ist mehr als nur eine Tankstation für das Imperium.“ Frisk sah verstohlen über seine Schulter. Keo stupste ihn an. „Wir müssen unbedingt unerkannt bleiben. Wo treffen wir uns mit Ardos Kontakt?“
„In der Cantina.“ Frisk klopfte seine Taschen ab, während sie sich auf den Weg dorthin machten. „Geht allerdings auf dich. Die Dockmeisterin war nicht gerade billig ...“
Die Cantina der Raumstation war rund um einen gewaltigen, ausrangierten Clouzon-Gasfilter gebaut, der vom Boden bis hinauf zur Decke reichte und in dem ab und an dunkelgrünes Licht aufleuchtete. Die Gäste saßen dicht beisammen in den Ecken der Cantina. Keo vermutete, dass die meisten von ihnen Schmuggler waren. Sie tranken mit einer Laune, die nur Leute an den Tag legten, die gerade herausgefunden hatten, dass ihre Schiffe eventuell von einem Haufen Imperialer durchsucht werden würden.
Frisk ging zur Theke, die einmal rund um den Filter in der Mitte verlief. Der Barkeeper – ein schlanker, blauäugiger Zabrak – sah von den neuesten Schockball-Ergebnissen auf. „Ja?“
„Für mich ein Polaris-Ale“, sagte Keo.
Der Zabrak schenkte das Ale ein. „Und für dich?“
Frisk lehnte sich über die Theke. „Ich könnte einen Ringali Sunset vertragen.“
Der Zabrak hob erstaunt eine Augenbraue, sah sich um und zuckte dann mit den Schultern. „Tut mir Leid. Hab seit Monaten keinen Chandrila-Brandy mehr zu Gesicht bekommen.“
„Wo würdest du es dann als erstes versuchen?“ Frisks Antwort war, wie auch die des Barkeepers, vorher einstudiert.
„Sissubo. Aber seit der Krieg tobt ...“
Keo entfernte sich von der Theke, teils, um Frisk Deckung zu geben, teils, um den Raum im Auge zu behalten. Es schien sich niemand für die beiden zu interessieren, doch noch immer herrschte dieses Gefühl vor, dass es noch Probleme geben würde.
Mit einem Schluck vom Ale versuchte sich Keo zu beruhigen. Das Polaris war kalt und schmeckte erstaunlicherweise nicht schlecht. Der Geschmack weckte Erinnerungen an eine schmutzige Kaschemme. Dort hatte Keo nach dem Abschied von Mirial das erste Mal ein Polaris-Ale getrunken, weil das alle dort getrunken hatten und sich das einfach irgendwie richtig angefühlt hatte.
Das Leben auf Mirial war wirklich kein schlechtes gewesen. Aber bei jedem Blick in die Sterne spürte Keo dieses unstillbare Verlangen. Man sollte meinen, man könne kein Heimweh nach einem Ort haben, an dem man noch nie zuvor gewesen ist. Doch Keo musste damals einfach weg, musste einfach sehen, was da draußen war. Diese Kaschemme, der erste Halt nach dem Verlassen des Heimatplaneten, erschien Keo damals wie der kosmopolitischste Ort, den man sich nur vorstellen kann. Menschen aus allen Ecken der Galaxis zu beobachten, denselben Drink zu genießen wie alle anderen Abenteurer und noch dazu auf dem Monitor, der in der Bar hing, einen ersten Blick auf die intergalaktischen Rennen zu werfen – Keo eröffnete sich eine völlig neue Welt.
„Hey.“ Frisk näherte sich Keo mit einem Drink in der Hand, der gewaltig nach Benzin roch. „Alles okay bei dir?“
Keo trank das Polaris-Ale aus. „Ich hab nur nachgedacht. Hast du bekommen, was du wolltest?“
„Wie man’s nimmt.“ Die beiden steuerten eine ruhige Ecke an. „Als die Agentin geschnallt hat, dass sich das Imperium hier tummelt, wollte sie kein Risiko eingehen. Sie hat ihren Astromechdroiden auf Laanen abgesetzt ... hier, das ist einer der Monde von Navlaas.“
Frisk zog seinen Holoprojektor aus der Tasche und zeigte Keo ein skizzenhaftes Hologramm einer eisigen, trostlosen Landschaft. Die Position des Astromechs war rot markiert – inmitten eines Canyons. „Sein Magnethaken ist aktiviert. Wir müssen also nur drüber hinweg fliegen und – Zack – hängt das Teil an unserem Rumpf. Seine Position ist jedoch, was mir Kopfschmerzen bereitet. Da ist äußerste Präzision gefordert.“
Keo betrachtete die Einflugschneise, legte sich schon mal einen Plan im Kopf zurecht. „Das sollte kein Problem für meinen A-Flügler sein.“
„Freut mich zu hören. Dann wollen wir mal los.“
Die beiden gingen in Richtung Ausgang. „Aber das Imperium überwacht alle Abflüge“, gab Keo zu Bedenken. „Wir müssen einen Weg finden, zum Mond zu gelangen, ohne zuvor entdeckt zu werden.“
„Ja.“ Frisk stellte sein Getränk im Vorbeigehen auf einem der Tische ab. „Ich will keine bösen ...“
Die Tür zur Cantina wurde geöffnet. In ihr erschien Lieutenant Relkin in Begleitung von zwei imperialen Sturmtrupplern in schäbigen Anzügen.
„... Überraschungen“, sagte Frisk erstaunt.
„Da bist du“, sagte Relkin mit eisiger Stimme. „Ich wusste doch, dass mir deine Visage bekannt vorkommt.“
Keo und Frisk schluckten. Frisk nahm die Hände hoch. „Okay, okay, hast mich erwischt. Ich mach’s wieder gut. Ich geb dem Gouverneur seine Credits zurück. Alles, was du willst, aber lass mei...“
„Wovon redet dieser Idiot hier eigentlich?“, bellte Relkin. Er drehte sich zu Keo. „Du.“ Nun nahm Keo die Hände hoch. Ich hätte dein Gesicht schon in dem Moment erkennen sollen, als ich es heute zum ersten Mal gesehen habe.“
Keo blinzelte.
„Du warst beim Socorro Sunset Grand Prix dabei“, erklärte Relkin. „Mit diesem Manöver in letzter Sekunde hast du mein Schiff vom Kurs abgebracht und dir die Siegermedaille ergaunert, die eigentlich mir zugestanden hätte.“
Keo blinzelte erneut.
„Das dunkelgrüne Schiff, erinnerst du dich?“, fragte Relkin verärgert. „Mit dem gelben Streifen am Heck?“
„Oh!“ Keo machte eine lebhaft Geste, als die Erinnerung zurückkam. „Natürlich, deine Ärmel!“ Keo wandte sich an Frisk. „Rennprofis binden manchmal ihre Ärmel enger, damit sie ...“
Relkin hob anklagend einen Zeigefinger und Keos Hände schnellten wieder nach oben. „Ich hätte endlich die Chance gehabt, dem Imperialen Sternenjäger-Korps beizutreten, anstatt schrottreife Schiffe reparieren zu müssen“, zischte Relkin. „Ich hätte das Imperium verteidigen können, als es mich brauchte, anstatt hier in der Logistik zu vergammeln, während der Todesstern in Flammen stand!“
„Na ja, jeder Krieg braucht doch eine gut funktionierende Logis...“
„Und jetzt verkaufst du diebisches Individuum deine Seele zusammen mit deinem Echsenfreund für Geld“, fuhr Relkin mit einem bösen Grinsen fort. „Weißt du, was das bedeutet?“
„Dass wir keine Gefahr sind und unserer Wege gehen können?“, versuchte es Frisk.
„Nein“, antwortete Relkin und zog seinen Blaster. „Es bedeutet, dass niemand euch vermissen wird.“
Ohne Vorwarnung rammte Frisk seine Schulter in Relkins Bauch, woraufhin dieser gegen die Wand gegenüber der Tür prallte. Im gleichen Moment, als ihm der Blaster aus der Hand fiel, feuerte der imperiale Offizier noch reflexartig einen Schuss ab, der jedoch nur den Türrahmen traf. Als die Sturmtruppler hastig nach ihren Blastergewehren griffen, rannte Keo bereits durch den Gang. „Da lang!“
Relkin rappelte sich auf. „Schnappt sie euch. Wer auch immer ihnen eine Lektion erteilt, verdient sich eine Beförderung.“
Frisk holte Keo ein, als die beiden hastig um eine Ecke bogen. Blasterschüsse sausten an ihren Köpfen vorbei. „Wir müssen den Hangar erreichen“, keuchte Frisk außer Atem. „Wenn sie uns erwischen, finden sie heraus, auf welcher Seite wir ...“
Entweder durch Zufall oder durch äußerste Präzission traf der nächste Schuss die Steuertafel der Tür vor ihnen. Die Tafel explodierte in einem Funkenschauer. Keo warf sich gegen die Tür, doch die bewegte sich kein Stück. Verzweifelt sahen sich die beiden um, bis sie etwas in der Wand entdeckten. „Der Lüftungsschacht!“
Frisk packte die Schachtabdeckung und zerrte mit aller Kraft daran. Die rostigen Scharniere ächzten, als er die Abdeckung aufstemmte. Keo sprang hinein, nur um plötzlich unerwartet in die Dunkelheit zu rutschen. Irgendwie schaffte es Keo, sich an den Schachtwänden festzuklammern, und verhinderte so den weiteren Fall. „Was zum …?“
Von oben war erneutes Blasterfeuer zu hören, dann die Geräusche eines Handgemenges und letzlich ein überraschter Aufschrei. Etwas großes Schuppiges stieß gegen Keo und schickte sie beide weiter hinab in die Finsternis, bis ...
Rumms!
„Uff!“
„Au!“
„Ah, ich bin auf meinem Schwanz gelandet ... Wo zum Teufel sind wir?“
„Keine Ahnung. Ich kann nichts sehen, ...“
Etwas schepperte.
„... aber dieses Deck fühlt sich seltsam an. Moment ... da ist was. Eine Art Rille. Fühlst du das? Die geht über den ganzen Boden.“
„Ja. Ja, ich kann sie füh...“
Im gleichen Moment schwang das ‚Deck‘ auf, ließ sie über zwei Meter tief in einen Stapel Metallzylinder stürzen und schließlich zu Boden rutschen.
Keo richtete sich auf und zuckte vor Schmerzen zusammen. „... Okay. Das war definitiv kein Lüftungsschacht. Das Ding ist wahrscheinlich zum Verladen von Clouzon-Gaskanistern gedacht.“
Unter ihnen erzitterte das Deck. Keo erkannte die Vibrationen: alte, fast ausgediente Triebwerke, die man schon lange keiner Wartung mehr unterzogen hatte.
„Toll.“ Während er die Hand an den Kopf presste, zog sich Frisk zu Keo und schleuderte dabei einen Zylinder weg. „Weißt du, was das ist? Wir sind auf einem dieser blöden Droiden-Frachtschiffe, die zwischen den Stationen hin- und herfliegen.“
Keo sah sich im Frachtraum um. Überall auf dem Deck waren alte Gaskanister verteilt.
„Das könnte unser Ausweg sein“, überlegte Keo. „Wenn wir es umprogrammieren, könnten wir damit zum Hangar fliegen und ...“
„Und dann was?“ Frisk stand auf und ließ dabei die Halswirbel knacken. „Relkin wird jedes Schiff wie ein hungriger Exogorth im Blick behalten. Wie sollen wir es bis zum Mond schaffen und den Astromech bergen, ohne dass er etwas davon mitbekommt?“
„Uns fällt schon was ein.“ Keo versuchte zu lächeln. „Los, komm. Das ist besser, als auf uns schießen zu lassen.“
„Also mir wäre ein Feuergefecht lieber.“ Frisk klopfte sich den Staub von der Kleidung, schlurfte zum Hauptrechner des Droidenschiffes und entfernte die Abdeckung. „Da weiß ich wenigstens, was mich erwartet.“
Nachdem er einige Kabel umgesteckt hatte, fuhr er fort: „Glaubst du, dass der TIE-Abfangjäger, den wir auf dem Hinweg gesehen haben, Relkin gehört?“
Keo dachte darüber nach. „Würde ich dem Imperium angehören und Rennen fliegen, dann würde ich so ein Schiff fliegen.“
Funken stoben zur Seite und Frisk wedelte mit der Hand. „Hätten wir diese TIEs einfach ausgeschaltet, würden wir jetzt gemütlich mit einer Tasse Kaf in der Nachbesprechung sitzen. Wir hätten den Astromech zur Basis gebracht, bevor man Relkin überhaupt vermisst hätte.“
„Unsere Anweisungen lauteten anders.!
„Ja, ich weiß.“ Frisk riss mit aller Kraft ein Kabel raus. „Die Neue Republik will einfach nur, dass wir parieren. Jawohl, Sir. Nein, Sir. Ich poliere sofort den Lack, Sir.“
Keo hockte sich neben ihn. „Was ist los, Frisk?“
„Ach, vergiss es. Ich murmle nur vor mich hin.“
„Nein“, erwiderte Keo. „Tust du nicht.“
Frisks breite Schultern sanken herab. „Ich bin ein Rebell, Keo. So war das schon immer. Zu Hause habe ich nie richtig dazugehört, also bin ich abgehauen und habe mein eigenes Ding gemacht. Als Teil der Rebellenallianz konnte ich den größten Widerlingen der Galaxis eine verpassen – und zwar auf meine Art.“
Er seufzte. „Aber jetzt sind wir eine Republik. Alles muss jetzt nach Regeln erfolgen. Aber zu mir passt das einfach nicht.“ Frisk zog eine Sicherung aus dem Rechner und starrte sie an. „Weißt du, wo ich unter einer richtigen Regierung landen würde? Auf einem Gefängnisschiff oder beim Ableisten von Sozialstunden.“
„Glaubst du das wirklich?“, fragte Keo.
„Ja. Du nicht?“
„Wir gestalten die Neue Republik. Hier und jetzt“, sagte Keo. „Sie entsteht aus den Idealen, für die wir kämpfen. Hoffnung oder Frieden oder dafür ... einfach man selbst sein zu können. Das Imperium entscheidet, wer die ‚richtigen‘ Leute sind, und baut eine Tür, durch die nur sie passen. Aber in der Neuen Republik haben alle Platz. Wenn wir es so wollen.“
„Hmm.“
„Frisk, warum wurdest du für diese Mission ausgewählt? Weil du durch deine Leistungen und deine Vergangenheit einfach perfekt dafür geeignet bist.“ Keo klopfte ihm auf die Schulter. „Wenn Dunkelheit im Universum herrscht, solltest du es mit dem Licht in dir erhellen. Da ist es ganz egal, was das für ein Licht ist oder was es entfacht hat.“
Frisk seufzte und lächelte dann. „Wie kann es sein, dass du nur halb so alt bist wie ich und trotzdem so viel klüger?“
Keo schmunzelte, während Frisk die Sicherung an anderer Stelle anschloss und weiterredete: „Wir müssen uns aber immer noch um diese Relkin-Situation kümmern, trotz deiner Motivationskünste. Ich glaube nämlich kaum, dass du es schaffst, diesen Rosteimer dazu zu motivieren, sich zu tarnen, den Astromech aufzusammeln und in den Hyperraum zu springen.“
Keo stand auf, lief grübelnd im Raum umher und schnipste schließlich mit den Fingern. „Was sagst du nochmal immer über Sabacc? Spiele nicht das Spiel, ...“
„... spiele deinen Gegner aus.“ Frisk konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Hm, weißt du was ... Wenn Relkin zu unserem Mondflug eingeladen ist, wird er auch keinen Verdacht schöpfen.“
„Aha?“
„Du meintest, du könntest mit deinen präzisen Flugkünsten den Astromech vom Mond aufsammeln? Würdest du das auch mit Vollgas schaffen?“
Keo grinste zurück. „Aber klar.“
Das Schiff erzitterte ein weiteres Mal und nahm Kurs auf die Station. Noch ein Gaskanister rollte gegen Frisks Fuß, als er gerade seinen Komlink herausnahm. „Okay. „Ich zähle auf dich. Und auf die Dockmeisterin. Die Credits werden ihr ja wohl was wert sein ...“
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„Ich meine es ernst“, sagte Dockmeisterin Nerlisha mit Nachdruck. „Die Sturmtruppler können nicht einfach einen Zugangskorridor zerballern, nur weil ihnen danach ist.“
Lieutenant Relkin lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Der Schreibtisch in seinem ‚Büro‘, das er sich in einem Vorratsraum eingerichtet hatte, war so ordentlich und sauber, wie es ein Schreibtisch nur sein konnte. Sein auf Hochglanz polierter Helm stand auf einer der Ecken. „Würden Sie das Gesindel auf dieser Station richtig durchleuchten, dann müssten wir uns auch nicht verteidigen.“
Nerlisha starrte ihn verärgert an. „Ihr Imperium ist auf dem absteigenden Ast, Relkin. Sie können mir keine Befehle geben. Wenn sie weiter meine Kundschaft vergraulen ...“
Relkins Komlink piepte. Er zeigte ihr ein eiskaltes Lächeln. „Der Krieg ist noch nicht vorbei. Die Angelegenheiten des Imperiums haben oberste Priorität. Wenn Sie mich entschuldigen würden?“
Nerlisha verließ wütend den Raum.
„Nutzlose Außerirdische“, murmelte Relkin. Er nahm seinen Komlink vom Tisch. „Was ist los?“
„Lieutenant Relkin?“
„Wer ist da?“
„Der Socorro-Sunset-Champion.“
Relkin knirschte mit den Zähnen. „So, so. Das war ja mal eine dramatische Flucht. So ein Drama wird nicht mehr vorkommen. Eure Sternenjäger sind auf unbestimmte Zeit beschlagnahmt.“
„Schade. Eigentlich wollte ich ein Angebot machen.“
„Was könntest du mir schon anbieten?“
„Eine Revanche.“
Relkins Aufmerksamkeit war geweckt.
„Wenn wir gewinnen, lasst ihr uns ziehen. Verlieren wir, kannst du meinen A-Flügler behalten ... und wir werden beide wissen, wer besser fliegen kann. Und damit es wirklich fair abläuft, trittst du gegen mich und meinen Kollegen an.“
„Und der sitzt in dem Y-Flügler?“ Relkin musste lachen. „Du musst verrückt sein.“
„Nein, ich kann einfach besser fliegen als du. Ich brauche ein Handicap, damit es ausgeglichen ist.“
Das Lächeln wich aus Relkins Gesicht. Seine Hand ruhte auf seinem Helm – einem restaurierten Modell, dass er sich kaufen musste und sich nicht ehrenhaft verdienen konnte. Diese Chance würde nie wiederkehren, dank dieses mirialanischen Aliens. Andererseits ...
„Ich stimme zu ... unter der Bedingung, dass wir vorher eure Hyperantriebe deaktivieren.“ Relkin zuckte mit den Schultern. „Du und dein Echsenfreund wollen doch nicht die Flucht ergreifen, sobald ihr aus dem Hangar seid, oder?“
Keo zögerte kurz und antwortete dann: „Damit ich die Chance verpasse, dich noch mal zu schlagen? Geht klar. Tu, was auch immer dir die Illusion verschafft, dass du mich dadurch besiegen kannst.“
„Freut mich, dass du einverstanden bist.“
„Wir machen es auf dem Eismond Laanen. Die Strecke geht durch die Schluchten. Wenn dein Abfangjäger – und deine Nerven – dem gewachsen sind, treffen wir uns im Hangar.“
„Ich werde da sein“, antwortete Relkin leise und beendete das Gespräch. „Vertrau mir.“
Rache wäre nicht halb so süß ohne die Vorfreude.
* * *
Die durchgängig blau-weiße Oberfläche von Laanen glänzte wie Stahl im Licht des fernen Sterns. Wie unförmige Zähne ragten Eisformationen neben Spalten empor, aus denen warme Gase strömten. Ein Zusammenstoß mit diesen Eisformationen bei hoher Geschwindigkeit würde das sichere Ende für jeden Sternenjäger bedeuten, ob mit Schilden oder ohne.
Keo atmete langsam durch, prüfte Helm, Handschuhe und Sicherheitsgurte, und suchte die innere Ruhe. Fliege nicht mit dem Kopf – fliege mit dem Herzen. Konzentriere dich auf den möglichen Erfolg, der dir bevorsteht. Vertreibe alle anderen Gedanken.
Die drei Sternenjäger machten sich zur vereinbarten Startlinie auf. Frisk bildete mit seinem Y-Flügler das Schlusslicht. Der dunkle TIE-Abfangjäger warf einen messerscharfen Schatten.
Keos Funk erwachte knackend zum Leben, als sich Frisk auf einem gesicherten Kanal meldete. „Der hat garantiert irgendwas vor.“
„Natürlich hat er das.“ Keo nahm Justierungen am Schub vor. „Aber damit werde ich fertig.“
„Gut. Ohne Hyperantrieb fühle ich mich irgendwie nackt.“
„Bist du sicher, dass du sie wieder zum Laufen bringen kannst?“
„Klar, ich habe Hyperantriebe schon tausendmal kurzgeschlossen. Der Knilch muss mir nur die Gelegenheit dazu geben. Konzentriere du dich auf das Aufsammeln des Astromechs. Um den Rest kümmere ich mich.“
Vor ihnen sahen sie einen gewaltigen Bogen aus Eis, der sich über einer riesigen Schlucht erhob, in der einzig bläulich schimmernde Dunkelheit herrschte. Die drei Schiffe wurde langsamer, als sie sich näherten.
„Die folgenden Bedingungen haben wir vereinbart: ...“ Keo runzelte die Stirn, als die Stimme des Imperialen über den Komlink erklang. Leutnant Relkin redete weiter: „... Drei Runden durch die Schlucht. Wenn ihr beide nach Abschluss der dritten Runde vor mir seid, gewinnt ihr. Wenn nicht …“
„Hab schon verstanden“, fuhr Frisk dazwischen. „Imperiale hören sich einfach zu gerne selbst reden.“
„Dann starte ich jetzt den synchronen Countdown. Viel Glück, ‚Champion‘.“
Keo warf einen Blick auf den Countdown. „Ich brauche kein Glück.“
Die Uhr zählte unermüdlich herunter. Zwei ... eins ...
Keo gab genau in dem Moment vollen Schub, als die Null erschien. Der A-Flügler schoss voraus, durchdrang die eisige Stille und pflügte hinab in die Schlucht. Die ansonsten glatten Schluchtwände wurden nur von Eisbrücken unterbrochen, die sich kreuz und quer von einer Seite zur anderen erstreckten. Keo steuerte den A-Flügler knapp über eine der Brücken, stürzte hinab durch eine enge Lücke und raste mit stetig steigendem Tempo durch eine schmale Passage. Trotz der extremen Geschwindigkeit des A-Flüglers war der gezackte Schatten des TIE-Abfangjägers nie weit entfernt. Frisks Y-Flügler blieb weit zurück.
Im Visier blinkte eine rote Näherungswarnung auf und erinnerte Keo daran, dass mehr auf dem Spiel stand als nur der eigene Stolz. Der Astromech …
Eisstücke prallten vom Cockpit des A-Flüglers ab, als eine der Eisformationen zerbröckelte. Keo umflog geschickt die größeren Bruchstücke, während sie hinab in die Schlucht rauschten. Sekunden später wurde das Eis durch die grünen Strahlen eines Turbolasers in Nebel verwandelt. Relkins TIE-Abfangjäger durchbrach den glitzernden Schleier.
„Hey!“ Frisks Stimme tönte laut über Funk.
„Ich mache nur den Weg frei“, antwortete Relkin.
Keo schaute wieder aufs Visier. Knappe Sache.
Sie bogen um eine Ecke und plötzlich bot sich ihnen ein fantastischer Anblick. Die Seiten der Schlucht waren überall mit Eis bedeckt, das wie eingefrorene Wasserfälle anmutete. Mit angespannten Sinnen steuerte Keo den A-Flügler daran vorbei.
Auf dem Visier erschien ein eindringliches Blinken. Da drüben ... Etwas Rot-Weißes flackerte nur unmerklich hinter dem größten Eisfall auf.
Keo beschleunigte und brachte den A-Flügler in eine vertikale Position, wodurch Relkin die Sicht auf den Astromech versperrt wurde. Die Sicherheitsgurte gruben sich in die Schultern, als Keo den Sternenjäger mit nur wenigen Zentimetern Abstand hinter den Eisfall flog, und dann ...
Ein metallisches Schaben ertönte, aber mehr passierte nicht. Ein rotes Blinken kündete von dem Fehlschlag.
„Hast du ihn?“, flüsterte Frisk eindringlich über den gesicherten Kanal.
„Der Magnethaken hat nicht gegriffen.“ Keo beschleunigte und kam hinter dem Eis hervor. Relkin gewann an Vorsprung. „Der Rumpf hat zu viel Eis abbekommen!“
Keos Schiff schrammte an der Schluchtwand vorbei und überholte Relkin zum Ende der ersten Runde nur knapp.
Relkin fluchte. „Das war die erste. In der nächsten Runde frisst du meine Triebwerksflammen!“
Eigentlich eine gute Idee ....
Keo ließ sich wieder etwas zurückfallen, schätzte die Entfernung genau ab und brachte den Sternenjäger knapp in die Reichweite der Triebwerksflammen des TIE-Abfangjägers.
Durch die veränderte Luftdichte erzitterte das Cockpit. Warnleuchten blinkten hektisch auf. Keo sah, wie sich Wassertropfen und schmelzendes Eis vorn vom A-Flüger lösten.
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In seinem Schiff spürte Relkin eine leichte Veränderung der Flugeigenschaften. Dieser mirialanische Abschaum störte doch tatsächlich die Aerodynamik seines Abfangjägers. Ein guter Trick.
Er musste grinsen.
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Keo schaute immer wieder hoch. „Komm schon ...“
Das Eis löste sich stückweise ab, jedoch nicht schnell genug – der Mond war einfach zu kalt. Keo biss die Zähne zusammen und hielt den A-Flügler auf einem möglichst stabilen Kurs innerhalb der Hitze, die der TIE-Abfangjäger ausstieß. Beide Sternenjäger beendeten die zweite Runde, wobei Relkin vorn lag und in sich hineinlachte.
Letzte Runde.
Die beiden Sternenjäger rasten durch die Schlucht und flogen erneut auf die Eisfälle zu. Als sie sich annäherten, löste sich das letzte Eisstück vom A-Flügler. Keo wollte gerade zur Seite abdrehen – als der TIE-Abfangjäger im gleichen Moment eine Rakete abfeuerte, die in der Luft explodierte.
Die Schockwelle erfasste den A-Flügler und ließ ihn davontaumeln. Keo musste sämtliches Können aufbieten, um hochzuziehen und nur knapp dem Zusammenstoß mit der Schluchtwand zu entgehen. „Eine Erschütterungsrakete!“
„Ich säubere nur mein Heck“, erklärte Relkin.
Während das Wummern der Schockwelle verklang, bildeten sich überall auf den Eisfällen Risse. Einer von ihnen brach auseinander, als sich die Sternenjäger näherten.
Keos Reflexe übernahmen die Kontrolle. Der A-Flügler nahm ruckartig die Höchstgeschwindigkeit auf und flog direkt auf den Astromech zu. Der Eisfall zerfiel immer mehr. Es blieben nur noch Sekunden, bevor er ganz einstürzen und das mit Missionsziel in den Abgrund reißen würde.
Keo schloss die Augen.
Klunk!
Der A-Flügler erzitterte, als sich etwas an seinen Rumpf haftete. Keo öffnete die Augen und spürte, wie sich der Schwerpunkt des Schiffs verlagerte. „Hab ihn ...“
Ein riesiger Eissplitter traf die Steuerbordseite des A-Flüglers und sandte den Sternenjäger in die Tiefen der Schlucht.
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Relkin blickte auf die Sensoren und lachte. Ziel erledigt.
Ach ja ... da war ja noch dieser lächerliche Y-Flügler vor ihm, der noch nicht einmal die erste Runde geschafft hatte.
„Ich habe eine ganze Runde Vorsprung“, sagte er amüsiert und holte mühelos auf. „Was hast du dir dabei gedacht, diese Schrottmühle in einem Rennen zu fliegen?“
„Berechtigte Frage“, erwiderte der Trandoshaner. „Y-Flügler sind keine Rennschiffe ...“
Mit einem metallischen Rumms flogen dutzende glänzender Clouzon-Gaskanister aus den Werfern des Y-Flüglers in die eisige Luft.
Relkin öffnete ungläubig den Mund.
Tagträume und Zielübungen sind kein Ersatz für richtiges Kampftraining. Der TIE-Interceptor war einfach zu schnell, um noch ausweichen zu können. Eine Tragfläche erfasste den ersten Kanister und löste eine Kettenreaktion aus. Nur einen Moment später ließ eine gewaltige grüne, elektrisch geladene Explosion Relkins TIE hilflos in den Abgrund stürzen.
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Frisk sah ihm hinterher. „Y-Flügler sind allerdings verdammt gut im Bombardieren.“
Er öffnete den gesicherten Kanal. „Keo?“
Rauschen.
„... Keo, melde dich!“ Weiter unten leuchtete etwas auf – eindeutig von Schubdüsen und nicht von einer Explosion. Ein ramponierter A-Flügler tauchte aus der Schlucht auf und gewann nur mühsam an Höhe, während sich Eiskristalle von ihm lösten. Hinter dem Cockpit sah Frisk den Astromech.
„Ich habe es geschafft – gerade so. Ist Relkin ...?“
„Er lebt noch, aber er wird verdammt sauer sein, wenn er da rauskommt“, erwiderte Frisk. „Lass uns einen sicheren Ort suchen, wo wir die Hyperantriebe wieder aktivieren können. Und dann verschwinden wir von hier.“
Die beiden Sternenjäger verließen den Mond.
„Ein Glück, dass in den Kanistern noch was drin war – und dass die Dockmeisterin dem Imperium unbedingt eins auswischen wollte.“
„Ja. Das Rennen hätte ich aber gewonnen.“
„Natürlich.“
„Man muss eben die eigenen Fähigkeiten kennen.“
„Tja, meine reichen jedenfalls aus, um zu Vanguard zurückzukehren. Im Flottenverband zu fliegen, klingt jetzt doch nicht so schlecht ...“
* * *
„Was hat euch beide aufgehalten?“, wollte Ardo Barodai wissen. „Ihr habt so lange für eine einfache Abholmission gebraucht?“
Das Hologramm im Besprechungsraum der Temperance gab ein kaltes, blaues Licht ab. Frisk und Keo waren mit Motoröl beschmiert und warfen sich einen Blick zu. Zwischen ihnen stand der rot-weiße Astromech. „Es gab ... Komplikationen.“ Keo versuchte, sich zu rechtfertigen.
Ardo verschränkte die Arme. „Der Imperiale Geheimdienst hat bisher nicht reagiert. Ihre Logistik ist allerdings geschäftig wie ein Killik-Nest.“ In seinem Mundwinkel konnte man so etwas wie ein Lächeln erahnen. „Aus irgendeinem Grund beschlagnahmen sie jeden Clouzon-Gaskanister in der Navlass-Triade ...“
Frisk zuckte mit den Schultern. „Die müssen ziemlich beschäftigt mit der Inventur ihrer Lager sein.“
Ardo studierte sie eingehend und nickte schließlich. „Okay. „Ihr habt euch gut geschlagen. Drei Tage Urlaub für euch beide.“
„Ja!“ Keo boxte Frisk gegen die Schulter. „Los, komm. Du schuldest mir einen Drink.“
„Was? Nach der Aktion mit den Kanistern müssten wir quitt sein.“
„Nicht mal annähernd. Auch wenn das ein echt sauberes Bombardement war.“
„Hehe. Das steht jedenfalls nicht im Lehrbuch der Neuen Republik.“
Keo lachte. „Noch nicht ...“
Ardo ließ sie wegtreten, hockte sich vor den Astromech und entnahm eine goldene Datenkarte. Anschließend steckte er die Karte in den Holo-Tisch und trat einen Schritt zurück, als eine Karte der Galaxis erschien. An wichtigen Positionen tauchten Symbole von Imperialen Sternenzerstörern auf.
Ardo nickte zufrieden. „Gut. Dann kann Projekt Starhawk ja beginnen ...“
ENDE